METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

217496

(2002) Schriftgedächtnis — Schriftkulturen, Stuttgart, Metzler.

schriftgedächtnis am Beispiel von Paul Celans Gedicht Kalk-Krokus

Theo Buck

pp. 73-82

Im Werk Celans begegnen wir einer für den Leser oft zunächst befremdlichen, eigenwillig ver-›dichteten‹ semiologischen Landschaft. Die ganz »eigne Gestalt« (GW I, 71)1 der reflexiven Sprachwelt dieses Dichters hebt sich entschieden ab von sprachlicher Ausdrucksnorm. Wir finden da, neben auffallend vielen ungewöhnlichen Wortprägungen oder überraschenden Formulierungen in Gestalt von Wortkombinationen oder-kontraktionen, eine Fülle von Fachausdrücken aus den verschiedensten Bereichen. Zur semantischen Topographie gehören anthropologische, historische, geographische und chronologische Begriffe genauso wie botanische, zoologische, medizinische, physikalische, chemische und geologische Termini. Die in der Regel sehr konkrete metaphorische Topik schließt also auch den Bereich der Geologie und der Hydrogeologie ein. Zur komplexen lyrischen Konstruktion gehören beispielsweise poetisch verwandelte Termini wie »Schill«, »Steinschlag«, »Balme«, »Einkanter«, »Quelltuff«, »Wüstengeschiebe«, »Schuttquelle« oder »Büßerschnee«. Leicht ist zu bemerken, daß Celan meist arbiträre, offene Wörter mit weiten Assoziationsräumen wählte. Er brauchte Wörter ›mit Tiefgang‹, Wörter, über deren Sinn man längere Zeit nachdenken muß. Einerseits war ihm daran gelegen, in seine poetische Textur konkrete Elemente der Natur hineinzunehmen. Andererseits entschied er sich dabei stets für Begriffe gestaltbildender Sprache, die zu gezielter Reflexion Anlaß geben. Demnach wollte er Erscheinungen des Wirklichkeitsbereichs direkt benennen, aber damit zugleich andere, das Denken der Leserschaft erschließende und so weiterführende Bedeutungsschichten vermitteln.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-02870-9_5

Full citation:

Buck, T. (2002)., schriftgedächtnis am Beispiel von Paul Celans Gedicht Kalk-Krokus, in V. Borsò, G. Cepl-Kaufmann, T. Reinlein, S. Schönborn & V. Viehöver (Hrsg.), Schriftgedächtnis — Schriftkulturen, Stuttgart, Metzler, pp. 73-82.

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