METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

217496

(2002) Schriftgedächtnis — Schriftkulturen, Stuttgart, Metzler.

Der Stil als anthropologisches Moment

Bemerkungen zum Stilbegriff Ludwig Wittgensteins und Gottfried Benns

Ulrike Bardt

pp. 485-497

Die philosophischen Bemühungen der Gegenwart sind geprägt von der gescheiterten Hoffnung der metaphysischen Tradition, einer bestimmten Wahrheit auf philosophischem Wege eine verbindliche, substantielle Grundlage in der Wirklichkeit geben zu können. Jedoch ist seit der Romantik eine Reihe von Versuchen zu bemerken, die darauf abzielen, das, was in der Philosophie zum Scheitern verurteilt ist, in der Ästhetik zu erreichen. So bestimmt Martin Heidegger die Kunst bereits 1935 in seiner Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes als »sich ins-Werk-Setzende Wahrheit des Seienden«2, unter ›ins-Werk-Setzen der Wahrheit‹ versteht er das »Geschehnis der Wahrheit« am Werk, »die Eröffnung des Seienden in seinem Sein«3. Die Kunst scheint dazu geeignet, ein Medium der Philosophie zu werden. Mit dem Stilbegriff verband eine Generation von nachdadaistischen und nachexpressionistischen Künstlern eine Alternative zu jeglicher Form von Wahrheitsansprüchen. So formuliert Gottfried Benn das philosophische Anliegen in seinen Essays, Reden und Vorträgen, beispielsweise in Dorische Welt, formelhaft: »Der Mensch, das ist die Rasse mit Stil. Stil ist der Wahrheit überlegen, er trägt in sich den Beweis der Existenz. Wahrheit muß nachgeprüft werden […].«4 Im Zeitalter des Nihilismus boten Stilwelten willkommene Zufluchten. Sie zogen insofern ein weitreichendes Interesse auf sich, da sie ganz im Gegensatz zur Wahrheit keiner ontologischen Hypothese gleichkamen. Der »Stil« ist in seiner Erscheinung real und konnte somit zum Hoffnungsträger avancieren.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-02870-9_27

Full citation:

Bardt, U. (2002)., Der Stil als anthropologisches Moment: Bemerkungen zum Stilbegriff Ludwig Wittgensteins und Gottfried Benns, in V. Borsò, G. Cepl-Kaufmann, T. Reinlein, S. Schönborn & V. Viehöver (Hrsg.), Schriftgedächtnis — Schriftkulturen, Stuttgart, Metzler, pp. 485-497.

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