METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

218358

(2009) Die Permanenz des Ästhetischen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

"Ästhetik" als Weise des Verstehens von Welt

Soziale und kulturelle Implikationen

Sabine Sander

pp. 197-215

Seit der Begründung von Ästhetik als einer wissenschaftlichen Disziplin durch Alexander Gottlieb Baumgarten verstand man die Ästhetik als eine doppelte Unternehmung – als Theorie der Kunst einerseits, als aisthesisoder Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung andererseits. Damit hat die Ästhetik traditionell ein weites Feld umspannt. Anliegen meines Beitrages ist es nun, Ästhetik als Weise des Verstehens von Welt zu diskutieren und dabei auch die implizite kulturalistische Perspektive in Rechnung zu stellen. 1 Diesen Gedankengang möchte ich in drei Schritten entwickeln: Zum einen, indem die sozialen Implikationen von Ästhetik erläutert werden. Ausgangspunkt hierfür ist Georg Simmels 1896 verfasster Programmaufsatz Soziologische Ästhetik; dabei kommt es darauf an, zu zeigen, dass der Mensch, verstanden in seiner "kulturellen Existenz" (Schwemmer 1996), alle Beziehungen zu Mitmenschen und Welt maßgeblich über seine Sinnlichkeit konstituiert, die es zu untersuchen gilt, wenn wir die kulturellen Formen – von Takt, Sitten und Gebräuchen über Kunst, Architektur, Mode oder Technik – untersuchen wollen oder wenn es darum geht, das Subjekt im Schnittfeld seiner sozialen Kreise zu begreifen und Lebensstile zu analysieren. Simmels Konzept einer 'soziologischen Ästhetik" bietet ein ausbaufähiges Fundament für die Untersuchung ästhetischer Implikationen in den sozialen Prozessen und sozialen Implikationen von Wahrnehmungen und ist daher nicht wegzudenken, wenn wir die Kulturalität des Menschen in Rechnung stellen wollen (Teil II: Zum Konzept einer 'soziologischen Ästhetik"). Zweitens soll mit Blick auf die Einfühlungstheorie der Husserl-Schülerin Edith Stein, die sich auch auf die psychologische Ästhetik von Theodor Lipps beruft, gezeigt werden, dass das Verstehen anderer Menschen – definiert als Erleben fremden Bewusstseins – auch auf aisthetischenVorgängen aufruht. Dabei wird deutlich, dass die Gesamtheit des menschlichen Ausdruckserlebens ein Untersuchungsgegenstand von Ästhetik ist. Im Vorgang der Einfühlung, der von anderen Erkenntnisakten abzugrenzen ist, wird auch deutlich, dass äußereWahrnehmung durch die Begegnung eines Ich mit einem Du zugleich innereWahrnehmung beinhalten kann (Teil III: Zum Konzept der "Einfühlung" bei Edith Stein). In einem dritten Schritt schließlich wird Kunst – immer wieder bevorzugter Gegenstand von Ästhetik, wenn auch nicht ihr alleiniger – als eine Weise des Begreifens von Wirklichkeit, nämlich als spezifischer Zugang zu den Phänomenen der Erscheinungswelt, beschrieben und von anderen symbolischen Formen wie Naturwissenschaft oder Geschichte abgegrenzt, wodurch wiederum die kulturelle, geschichtliche und soziale Determiniertheit von Wahrnehmung und Sinnsetzung deutlich wird. Diese Ausführungen werden mit Blick auf das universalistische Kulturkonzept von Cassirer, das in der Philosophie der symbolischen Formenund im Essay on manseinen Ausdruck findet, entwickelt (Teil IV: Wissenschaft, Geschichte und Kunst als symbolische Formen). Anhand dieser Argumentationstrias soll gezeigt werden – und dies ist die zentrale These – dass eine Ästhetik, die nicht allein auf Schönheit und Kunst verengt wird, sondern als Wissenschaft wissenschaftliche Zugangsweisen praktiziert und der Geschichtlichkeit unterliegt – durchaus als Angebot des Verstehens von Welt aufgefasst werden kann.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-91472-5_10

Full citation:

Sander, S. (2009)., "Ästhetik" als Weise des Verstehens von Welt: Soziale und kulturelle Implikationen, in M. Sachs & S. Sander (Hrsg.), Die Permanenz des Ästhetischen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 197-215.

This document is unfortunately not available for download at the moment.