METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

218358

(2009) Die Permanenz des Ästhetischen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Erfahrung und Erwartung

Zum Wandel ästhetischer Begriffe

Uta Kösser

pp. 231-244

In der Geschichte der Ästhetik als einer wissenschaftlichen Disziplin haben wir es weniger mit realen ästhetischen Sachverhalten zu tun als mit Auffassungenvon ihnen, also mit dem Begreifenästhetischer und künstlerischer Phänomene; eine Form dieses Begreifens sind die ästhetischen Begriffe.Generell sind Begriffe Hilfsmittel unseres Denkens; sie verknüpfen "ein Mannigfaltiges zur einheitlichen Gedankenbeziehung" (Kirchner/Michaelis 1907: 89) oder fassen Wesentliches an Sachverhalten zusammen. Diesen Vorgang bezeichneten z.B. Moritz Lazarus mit Wissen verdichten (Lazarus 2003: 34 f.) und Georg Simmel als Kristallisation (Simmel 1996: 11). Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an Sokrates Frage in Platons Hippias major– was denn das Schöne sei. Hippias zählt zwar eine Vielzahl schöner Dinge auf – Mädchen, Krug, Pferd –, aber Sokrates will wissen, was diese Dinge zu schönen Dingen macht, er will diesen Vorgang begreifenund zielt auf das allen schönen Dingen Allgemeine, Wesentliche oder Gemeinsame, letztlich auch auf einen Begriffvom Schönen. Begriffe verdichten auf diese Weise Erfahrungenund auch Erwartungen. Begriffe beziehen sich auf Sachverhalte und Prozesse, die außerhalb dieser Begriffe liegen und die sich verändern. Im Gefolge dessen können Begriffe und Sachverhalte auseinanderdriften und wiederum als Folge davon wandeln sich Begriffe. In der Regel bleibt das Wort erhalten, während die semantischen Gehalte variieren. Je älter ein Begriff, desto mehr "Jahresringe" legt er sich zu, desto dichter und vielfältiger sind Wissen und Erfahrungen, die er speichert, desto mehr Möglichkeiten bietet er, einmal vorhandene Bedeutungen später und unter anderen Umständen zu revitalisieren.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-91472-5_12

Full citation:

Kösser, U. (2009)., Erfahrung und Erwartung: Zum Wandel ästhetischer Begriffe, in M. Sachs & S. Sander (Hrsg.), Die Permanenz des Ästhetischen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 231-244.

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