METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

214207

(1924) Vorträge der Bibliothek Warburg II, Wiesbaden, Vieweg+Teubner.

Augustin als Antiker und als Mittelalterlicher Mensch

Richard Reitzenstein

pp. 28-65

Wenn ich Ihren Blick heute auf einen der größten Theologen aller Zeiten, Augustin, lenken möchte, so muß ich zunächst vorausschicken, daß ich nicht den Theologen, sondern den Mensch Menschen ins Auge fassen möchte; seine Lehren, die Entwicklung, die er dem christlichen Dogma gegeben hat, sollen uns dabei weniger kümmern. Gewiß, jene Lehren sind wichtig genug. Mehr als alles politische Geschehen haben sie dazu beigetragen, den griechischen Osten von dem römischen Westen loszureißen; daß wir ein abendländisches Christentum im Gegensatz zu dem morgenländischen haben, und daß, während dieses allmählich erstarrte und verknöcherte, sich in jenem ein reiches neues Leben entwickelte, ist hauptsächlich ihre Wirkung. All die großen Umgestaltungen bis zu Luther hin und andererseits wieder fast die ganze Religiosität der führenden Persönlichkeiten noch des heutigen Katholizismus sind entscheidend von ihnen beeinflußt. Seine Schriften bilden eine noch heute ganz unmittelbar unter uns wirkende Macht. Nun leidet die fachmännische und rein sachliche Behandlung dieser Lehren zur Zeit noch an dem Mangel, daß Theologen und Philosophen darin einig scheinen, sie im wesentlichen als Übertragung des griechischen christlichen Denkens und der griechischen Philosophie zu fassen, ohne den Widerspruch zu beachten, daß gerade das griechische Denken das Abendland von dem griechischen Denken losgerissen haben soll.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-15764-9_2

Full citation:

Reitzenstein, R. (1924)., Augustin als Antiker und als Mittelalterlicher Mensch, in F. Saxl (Hrsg.), Vorträge der Bibliothek Warburg II, Wiesbaden, Vieweg+Teubner, pp. 28-65.

This document is unfortunately not available for download at the moment.