METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

222655

(1990) Der Mensch inmitten der Geschichte, Stuttgart, Metzler.

Der europäische Nihilismus

Karl Löwith

pp. 49-114

Europa ist ein Begriff, der nicht aus ihm selber stammt, sondern aus seinem wesentlichen Gegensatze zu Asien. Die Unterscheidung von Europa und Asien haben die Griechen vermutlich von den Phöniziern übernommen, und auf assyrischen Denkmälern fand man die beiden Gegenbegriffe: »ereb« (das Land der Dunkelheit oder der untergehenden Sonne) und »asu« (das Land der aufgehenden Sonne). Europa ist ursprünglich, und solang es sich treu bleibt, politisch und geistig eine gegenasiatische Macht. Das deutsche Wort »Abendland« hat einen volleren Klang. Es meint, im Gegensatz zum Morgenland, eine Bewegung zum Ende hin, die zwar im Osten beginnt, sich aber im Westen vollendet. »Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang […]. Hier geht die äußerliche, physische Sonne auf und im Westen geht sie unter; dafür ersteigt aber dort die innere Sonne des Selbstbewußtseins, die einen höheren Glanz verbreitet«1, nämlich den Glanz des absolut freien und darum auch kritischen Geistes, dessen Gefahren und Größe der Osten bis heute nicht kennt. Zwei Jünglinge, sagt Hegel2, haben im Jünglingsalter Europas die schönste und freieste Individualität entwickelt: Achilles und Alexander der Große. »Achilles als Hauptfigur im Nationalunternehmen der Griechen gegen Troja […]; Alexander, der sich als Nachbild des Achilles an die Spitze der Griechen stellt, und die Rache, welche Asien zugeschworen war, erfüllte.«

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03324-6_3

Full citation:

Löwith, K. (1990). Der europäische Nihilismus, in Der Mensch inmitten der Geschichte, Stuttgart, Metzler, pp. 49-114.

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