METODO

International Studies in Phenomenology and Philosophy

Book | Chapter

222655

(1990) Der Mensch inmitten der Geschichte, Stuttgart, Metzler.

Bemerkungen zum Unterschied von Orient und Okzident

Karl Löwith

pp. 254-284

Die abstrakte Unterscheidung von Orient und Okzident betrifft das gesamte konkrete Verständnis von Gott, Welt und Mensch. Dieser traditionellen Dreiheit von Gott, Welt und Mensch liegt in einer kaum mehr empfundenen Weise das Weltverständnis der biblischen Schöpfungsgeschichte zugrunde, wonach die Welt Gottes einmalige und vergängliche Schöpfung ist und nur der Mensch Gottes Ebenbild. Dieselbe Unterscheidung hat einen ganz anderen Sinn, wenn das Göttliche der Gang (Tao) des Himmels (T"ien) ist im Unterschied zur Erde, Himmel und Erde (T"ien-ti) der Ursprung aller Geschöpfe und die Erde der Wohnort des irdischen Menschen, wie im altchinesischen Denken, das, ähnlich dem griechischen, die rechte und gerechte Verfassung der Menschenwelt nach Maßgabe der unverbrüchlichen Ordnung der Himmelswelt denkt1. Weil aber das Selbstverständnis des Menschen in jedem Fall einen wesentlichen Bezug auf die Erfahrung der Welt und des Göttlichen hat und alle drei zusammengehören und aufeinander abgestimmt sind, so daß das Verständnis des jeweils einen auch die Erfahrung der jeweils andern mitbestimmt, lassen sich die maßgebenden Begriffe für Gott, Welt und Mensch nicht gesondert und ohne weiteres in eine Denkweise übersetzen, die im ganzen ihrer Gestimmtheit anders als die uns gewohnte ist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03324-6_9

Full citation:

Löwith, K. (1990). Bemerkungen zum Unterschied von Orient und Okzident, in Der Mensch inmitten der Geschichte, Stuttgart, Metzler, pp. 254-284.

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